Der Mythos
Center of mass: Gravitationszentrum
oder Massezentrum?
Viele Reiter haben die
Begriffe Gravitationszentrum und Massezentrum durcheinander
gebracht. Im späten 18. Jahrhundert entdeckten deutsche
Forscher, dass das Massezentrum des Pferdes irgendwo hinter
und über dem Ellbogen des Pferdes, am Rumpf, liegt.
Viele von uns haben eine geistige Vorstellung von diesem
Punkt, weil wir es auf einer Zeichnung eines Pferdes in
einer Zeitung gesehen haben. Wenn ein Pferd gleichmässig
und ruhig mit einer natürlichen Kopfhaltung steht,
befindet sich sein Gravitationszentrum wahrscheinlich
nahe seinem Massezentrum. Diejenigen, die sich mit Physik
nicht auskennen, stellen sich diesen Punkt als eine Art
magischen "Gleichgewichtspunkt" vor, über
dem der Reiter seine Position einnehmen sollte, um das
Pferd im Gleichgewicht zu halten. Wie wir sehen werden,
bewegt sich Ihr Pferd automatisch vorwärts, wenn
Sie Ihr Gewicht vor den magischen Punkt bringen, und dadurch
eine Instabilität des Gleichgewichts hervorrufen.
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Wer erfand den Vorwärtssitz?
Rückblickend lässt
sich diese Entwicklung begründen. Der "Vorwärtssitz"
wurde niemals dafür erfunden, um Gesundheit, Gleichgewicht
und die Einsetzbarkeit des Pferdes zu verlängern. Er wurde
entwickelt, um Pferde dazu zu bringen, auf flachen Rennbahnen
schneller zu laufen und er hat Pferden schon immer geschadet.
Willie Shaw, ein schwarz-amerikanischer
Jockey, landete im späten 18.Jahrhundert auf britischem
Boden und begann jeden anderen Jockey zu besiegen, indem er
eine Sitzposition einnahm, wegen der er beinahe unter Gelächter
von der Bahn gejagt wurde. Aber Shaw und sein noch schneidigerer
Zeitgenosse Todd Sloan lachten zuletzt. Er hatte seine Steigbügel
drastisch verkürzt, kauerte vorn über dem Hals des
Pferdes und pullte an den Zügeln.
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Es funktionierte, seine
Pferde rannten noch schneller, als die der Jockeys, die immer
noch aufrecht im Zentrum des Pferderückens sassen und lange
Steigbügel benutzten, uns in Erinnerung durch die Jagdgemälde
des 19.Jahrhunderts. Was hatte er getan? Er hatte das Gleichgewicht
des Pferdes gestört. Was Shaw diesen Rennpferden antat,
war das, was passiert, wenn Ihr Kind auf Ihren Schultern sitzt
und sich dann nach vorne lehnt.
Sie müssen einen Schritt nach vorne
machen, unter Ihr Gravitationszentrum, weil Ihr Kind es nach
vorn verlagert hat. Dasselbe passiert, wenn Sie den Berg hinunter
laufen. Sie laufen schneller und schneller, bis Sie merken,
dass Sie ausser Kontrolle geraten. Ihr Gravitationszentrum ist
vor Ihnen, genau wie es vor dem Kopf des Pferdes war, das in
dem Film "Der Mann vom Snowy River" den Berg hinunter
rannte.
Todd Sloan wollte, dass das Schwerkraftzentrum
des Pferdes weit vor ihm lag, um das Pferd zu zwingen, weiter
mit seinen Vorderbeinen auszugreifen. Es musste schneller rennen,
um zu vermeiden, dass es mit dem Gesicht zuerst in den Dreck
fällt. Dann erweiterte er die Technik um einen nächsten
Schritt: Er liess das Pferd gegen das Gebiss gehen. Dadurch
war er in der Lage, sein Gewicht noch weiter nach vorne zu verlagern.
Das Gewicht wanderte vom Widerrist über die Arme des Reiters,
an den Zügeln entlang und an der Nasenspitze des Pferdes
wieder hinaus über das Gebiss.
Caprilli beobachtete dies von der Rennbahnbegrenzung
aus, und ein Licht ging ihm auf. Konnte er für seine Sprungexperimente
übernehmen, was lächerlicherweise zu der Zeit als
"Affensitz" bezeichnet wurde? Caprillis Vorgänger
ritten mit langen Steigbügeln und straffen Zügeln.
Wenn sie versuchten, das auszuführen, was sie für
einen sehr unnatürlichen Vorgang hielten, das Springen
zu Pferde. Beim Springen erhoben sie sich in ihren Steigbügeln,
lehnten sich nach hinten und hielten die Köpfe der Pferde
mit brutaler Gewalt nach oben. Caprilli dagegen entwickelte
einen sehr natürlichen Reitstil am langen Zügel. Aber
diese neue Idee, sich vorwärtszulehnen, könnte genau
seine Sprungtechnik vervollständigen.
Er übernahm den "Vorwärtssitz"
nur zum kleinen Teil. Sein Springsattel war immer noch gut weit
hinter dem sich bewegenden Schulterblatt aufgelegt. Er wusste,
dass die Schultern sonst gequetscht und geschädigt werden
würden. Er lehnte sich im richtigen Moment nach vorne,
um dem Pferd über den Sprung zu helfen. Aber Caprilli sagte
in seinen wenigen Notizen nicht, dass Sättel nach vorne
geschoben werden müssten. Er hat mit Sicherheit keinem
Reiter empfohlen, woanders als zwischen den Stützsäulen
des Pferdes zu sitzen - den Beinen.
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